DIALOG 2024
DIALOG 2024 am 14. September: “Kunst und Glaube”
Vergangenen Samstag diskutierten im Rahmen der Veranstaltung „Dialog im Stift Schlägl“ der Schauspieler und begeisterte Bio Landwirt Tobias Moretti und der Kunst Wissenschaftler P. Philipp Reichling OPræm über die vielfältigen Beziehungen von Kunst und Glauben. Nach der gemeinsamen Vesper in der Pfarrkirche Aigen, die Stiftsorganist Nikita Gasser mit zwei Werken des Jahresregenten Anton Bruckner rahmte, ging es zur Veranstaltung ins Vereinshaus, wo Abt Lukas den Abend eröffnete. Nach der musikalischen Einleitung durch das Ensemble Armonico Tributo Austria, das unter der Leitung des Gambisten Lorenz Duftschmid und gemeinsam mit der Barockoboistin und Ehefrau von Tobias Moretti den Abend musikalisch umrahmte, gestand Tobias Moretti zu Beginn, dass er sich im Vereinshaus sofort wohlgefühlt habe: „Es hat den Charme der 70er oder 80er und das erinnert mich an meine Anfänge mit der Schauspielerei, da haben wir auf allen möglichen kleinen und Kleinstbühnen gespielt!“ Über die Assoziationen zur Architektur des Raumes, die alle drei Diskutanten auch ein wenig an die imaginären Saloons des „Wilden Westen“ erinnerte, war man so auf humoristische Weise gleich mitten im Thema: Kunst und Musik, die beide stark auf persönliche Gefühle einwirken und gewissermaßen eine Reaktion darauf provozieren, spielten im Lauf der Geschichte immer eine wichtige Rolle im Leben der Kirche.
Moderatorin Alexandra Föderl-Schmid befragte Moretti zunächst über seinen persönlichen Zugang zur Welt des Glaubens: „Ich bin in einer Atmosphäre aufgewachsen, in der der Glaube etwas Selbstverständliches hatte. Er war wie das Essen oder Luft, die man zum Atmen benötigt. Das konnte ich mir Gott sei Dank behalten und es hatte dadurch auch immer noch eine Leichtigkeit.“ Auch die vielfältigen Gräben, die sich durch das heutige kirchliche Leben ziehen, hätte er, der schulisch eine starke jesuitische Prägung in Innsbruck erhalten hatte, nicht gekannt: „Gottesdienst und Demonstrieren gehen war für uns irgendwie dasselbe. Ich hab als junger Mensch immer geglaubt, dass die Kirche eine linke Organisation ist und mich später oft gewundert.“ Philipp Reichling betonte, dass Kirche in den letzten Jahrzehnten immer wieder über die Frage der Moral gestolpert sei. Dies sei auch nicht verwunderlich, denn „Glaube soll doch zunächst Sinn stiften. Ein reiner moralischer Verhaltenskodex allein stiftet noch keine Sinnhaftigkeit des Lebens.“ Erst aus der fundamentalen Sinnstiftung erwachse dann eine Lebenshaltung, nicht umgekehrt.
Befragt nach seiner Beziehung zur Musik führte Moretti aus, daß Musik ihn immer spüren habe lassen, dass es „da noch etwas andres, ein ‚mehr‘ gibt. „Daher war für mich gerade die Kirchenmusik mich immer die eigentliche weltliche Musik.“ Er betonte dabei die Wichtigkeit der sinnlichen Erfahrung und des bisweilen Unerklärlichen beider Phänomene: „Glaube ist eine Sache des Herzens, der Seele und weniger eine des Verstandes. Man kann das eben nicht erklären. Ich denke, es ist ein Problem, wenn alles zerredet wird. Man muß darin einfach eintauchen!“ Für Reichling sei es mit dem Glauben wie mit der Kunst: „Es ist doch oft die Frage, ist das Kunst oder kann das weg? In der Betrachtung kann ich unterstellen, dass es vielleicht doch Kunst ist. Und ähnlich ist es mit dem Glauben.“ Dabei müsse man schon den Verstand benutzen, um das emotional Erfahrene zu reflektieren, ohne es gleich in einer bestimmten Weise – etwa unter der Perspektive des Glaubens – deuten zu müssen. Ganz im Gegenteil: Erfahrungen des Glaubens, wie Erfahrungen durch Kunst würden neue Räume gerade dann erschließen, wenn sie in der Reflexion nicht gleich gedeutet würden.
Kunst öffne jedenfalls Möglichkeiten der Erfahrung einer Alterität, zeigte sich Reichling überzeugt, „so unter dem Motto: Es könnte auch alles ganz anders sein.“ Erfahrungen der Überwältigung und des Staunens seien kennzeichnend sowohl für Musik als auch bildende Kunst, darin waren sich die beiden Diskutanten einig. Deshalb seien Musik und Kunst immer so wichtig gewesen für die Kirche. Dabei dürfe und sollte Kunst den Glauben auch immer wieder provozierend herausfordernd. „Natürlich darf Kunst alles. Aber es müssen auch die Gesetze von Respekt und Toleranz gelten.“ – EWD