Gedanken zum Dreifaltigkeitssonntag

„Die Religion gibt Antworten auf Fragen, die gar nicht gestellt sind.“ Das ist eine Feststellung, die ich nicht selten höre. „Ihr beschäftigt euch mit Fragen, die keinen Menschen bewegen. Ihr begebt euch in eine Wirklichkeit hinein, die kaum mehr etwas gemeinsam hat mit der konkreten Lebenswelt der Menschen“. Diese Feststellungen drücken aus, dass Religion für viele für das Leben irrelevant ist.

Das Fest der Dreifaltigkeit Gottes ist für viele Menschen ein konkretes Beispiel von der Irrelevanz theologischer Aussagen für den Alltag.

„Gott ist einer in drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist“. Diese Aussage macht wie kaum ein anderer Glaubenssatz deutlich, dass Gott das unergründliche Geheimnis ist. Dem Wesen Gottes kommt man dadurch nicht näher, dass man sich auf mathematische Spekulationen einlässt. Gott ist ein Geheimnis, das immer ein solches bleiben wird. Ist mit dieser Feststellung nicht noch einmal festgehalten, dass diese Aussage über Gott doch mit dem Leben nichts zu tun hat?

Ich meine, dass gerade dies für das konkrete Leben bedeutsam ist. Nicht erst dann kommt der Mensch mit dem Geheimnis in Berührung, wenn er über Gott nachdenkt, sondern zuerst im menschlichen Dasein. Das erste Geheimnis, mit dem der Mensch in Berührung kommt, ist das Geheimnis, das in der Erfahrung der Beziehung offenbar wird. „Alles Leben ist Beziehung“. Diese Feststellung deckt sich für mich mit meinen konkreten Erfahrungen. In der Zeit der Corona-Krise mit den Einschränkungen unserer Möglichkeiten, mit anderen in Beziehung zu treten, ist mir die Bedeutung des In-Beziehung-Seins noch deutlicher bewusst geworden. Ich entdecke den Reichtum des menschlichen Seins am meisten und am intensivsten dort, wo ich mich in Beziehungen eingebunden fühle. Da kann ich staunen, und mir geht eine kostbare Einsicht auf.

Wenn ich sage, dass Gott ein Gott in drei Personen ist, so drücke ich damit aus, dass die Beziehung das innerste Wesensmerkmal Gottes ist. Das Geheimnis Gottes erscheint für mich damit nicht als eine Wirklichkeit, die keinen Anhaltspunkt im menschlichen Sein hat. Sondern dasselbe erkenne ich als das eigentliche Wesensmerkmal im konkreten Leben. Gottes innerstes Wesen ist Beziehung. Und das eigentliche Sein des Menschen wird dort am konkretesten und deutlichsten spürbar, wo der Mensch in Beziehung ist: mit der Welt, mit der Natur, mit dem menschlichen Du, oder mit dem göttlichen Du.

Gott ist ein Geheimnis. Er ist seinem innersten Wesen nach Beziehung: Beziehung zwischen Vater und Sohn im Heiligen Geist. Wenn ich die Dreifaltigkeit Gottes auf diese Weise betrachte, motiviert mich diese Glaubensaussage dazu, meine Beziehungen zu bedenken, sie zu pflegen, sie für wichtig zu halten.

Darin sehe ich bestätigt, dass die Aussagen über die Dreifaltigkeit Gottes sehr wohl von praktischer Bedeutung sind: sie motiviert mich dazu, mich als Wesen der Beziehung zu betrachten und dadurch noch mehr ein Mensch nach Gottes Ebenbild zu werden, dass ich die Beziehungen pflege und darin das Kostbare des Menschseins entdecke.

Franz Lindorfer
Pfarrer in Sarleinsbach und Putzleinsdorf