Gott Raum schaffen
Wir haben seit 1955 das Glück in einem freien Land leben zu dürfen. Vorher erlebten Menschen die Besatzungszeit. Sie ist vorbei. Aber eine Frage bleibt, die uns in der Fastenzeit beschäftigen darf. Sie lautet: Was besetzt mich in meinem Inneren? Wenn meine Lebensfelder fremdbesetzt sind, wenn ich das Gefühl habe, mein Leben nicht mehr selbst gestalten zu können, kann ich entweder kapitulieren, aufhören wirklich zu leben, oder ich kann dagegen ankämpfen. Heiliges und Unheiliges, Sakrales und Profanes liegen oft ganz nahe beieinander. Das sieht man oft bei Wallfahrtsorten. Da sind einerseits der heilige Ort, und andererseits die Geschäftemacherei daneben. Da wird viel gebetet, aber auch viel Geschäft gemacht. So geht es auch Jesus mit dem Tempel in Jerusalem, den er einer gründlichen Reinigung unterzieht. Damit setzt er ein Zeichen, für Menschen. Da fällt mir ein Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils ein: „Die Kirche ist heilig und stets der Erneuerung bedürftig.“ Was über die Kirche gesagt wird, gilt für jedes Glied der Kirche. Jeder Mensch hat Heiliges, Gott Entsprechendes in sich, und jeder Mensch ist immer der Erneuerung bedürftig. Wir brauchen den zusammen-räumenden Gott in uns. Er räumt aus, was uns besetzt und gefangen nimmt. Es macht uns zum Tempel zur Wohnung Gottes. Wir glauben an einen Gott auf den wir uns verlassen haben. Wenn dieser eine Gott Mitte unseres Lebens ist, können die anderen Götter, die wir heute Macht, Ansehen, Vergnügen, Besitz oder Ruhm nennen, nicht greifen. Wenn ich diesen einen Gott wahrhaft Gott sein lasse, dann kann ich wahrhaft Mensch sein. Dann bin ich nicht fremdbesetzt, sondern voll des guten, barmherzigen, aber auch zusammenräumenden Gottes.
Maximilian Pühringer O.Praem
Pfarrer in Oberkappel und Neustift