Predigt zum 6. Ostersonntag

Verheißungsvoller Abschied

Abschiede begleiten unser Leben und wir erleben sie situationsgebunden in unterschiedlicher Intensität: Wir verabschieden einander nach einem Treffen oder Telefonat, Betriebe verabschieden ihre Mitarbeiter in die Pension und an der Schwelle des Todes müssen wir von lieben Menschen Abschied nehmen.

In ebendiese Situation nimmt uns das Evangelium des 6. Ostersonntags hinein, der uns noch einmal in den Abendmahlssaal zurückführt, wo sich Jesus angesichts des ihm bevorstehenden Leidensweges von den Jüngern verabschiedet. In der Sprache Jesu erweisen sich die Ereignisse des Leidens, Sterbens und Auferstehens als ein Weg der Erhöhung, als Gang zu seinem himmlischen Vater.

Darin liegt auch der Grund, warum die Leseordnung diese Texte nicht in den Tagen vor dem Osterfest vorsieht, sondern jetzt – in der österlichen Zeit – wenige Tage vor dem Fest Christi Himmelfahrt. Jesu Abschiedsworte aus dem Abendmahlssaal begegnen uns angesichts des Abschieds vom Gekreuzigt-Auferstandenen vor seiner Himmelfahrt. Diese Abschiedsmomente stellen vor die Frage nach der Zukunft, einem Weiterleben – ohne Jesus dabei so zu erfahren, wie zu seinen Lebzeiten. Diese Frage verliert bis in die Tage unseres heutigen Christ-Seins nichts an Aktualität und Relevanz. Richten wir darum unser Augenmerk auf die Worte Jesu in dieser Szene des Abschieds, der kein stummes Fortgehen, sondern verheißungsvoll gestaltet ist:

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen…“

Diese fürsorglichen Worte verleihen nicht nur dem Abschied Jesu quasi familiäre Züge, sondern versichern: Wer – wie die Jünger damals – im Leben mit Jesus unterwegs ist, muss nicht fürchten, verwaist von ihm zurückgelassen zu werden. Glaubende können frei sein von der Angst, wie Waise der Beziehungslosigkeit preisgegeben zu sein, nicht zu wissen, ob es jemand gibt, dem das eigene Dasein ein Anliegen ist.

„Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit…“

Jesus verabschiedet sich als Bittender: Er selbst erbittet vom Vater einen anderen, bleibenden Beistand. Das erschließt auch, dass Jesus schon als Beistand für die Seinen wirkte. Wenn Menschen sich in seine Nachfolge begeben, sind sie also nicht auf sich allein zurückgeworfen. Die Gemeinschaft der Glaubenden wird demnach nicht ohne den notwendigen Beistand sein, der ermöglicht, sein Wirken kontinuierlich fortzusetzen.

„…weil ich lebe und auch ihr leben werdet.“

„Ich lebe“, so findet im Abschied Jesu die Osterbotschaft Anklang. Wenn sich die Glaubenden aller Generationen auf diese Botschaft einlassen, Jesus als Lebendigen wahrzunehmen versuchen, erfüllt sich auch an ihnen die Zusage von Leben; einem Leben, das – trotz aller Fragen – letztlich nicht mehr in Frage gestellt werden wird. Der verheißungsvolle Abschied Jesu führt somit ins Leben – auch für uns. Im Vertrauen auf Gottes Beistand kann unsere Lebendigkeit schon jetzt die Botschaft von Ostern widerspiegeln, dass ER lebt.

Vitus Glira
Kooperator in den Pfarren Ulrichsberg, Klaffer und Schwarzenberg
Religionslehrer an der NMS Aigen-Schlägl und der VS Ulrichsberg